Die Politik der Nichtwissenden (2008)
Der schottische Moralphilosoph David Hume formulierte bereits im 18. Jahrhundert eine sehr interessante Sichtweise auf ein Thema, das Menschen seit jeher kontrovers diskutieren. Es handelte sich um die Frage, wie ein idealer Staat aussehen könnte. Eng verbunden ist diese Frage nicht nur für Hume mit der Überlegung, was unter „Gerechtigkeit“ verstanden wird.
Auffassung, dass Gerechtigkeit immer dann zu einem relevanten Problem werde, wenn in einer Gesellschaft zwei Voraussetzungen gegeben seien: eingeschränkter Altruismus und gemäßigte Knappheit. Sofern Personen gänzlich selbstlos oder vollkommen egoistisch handeln, stellen sich nach Hume keine Gerechtigkeitsfragen. Das sei ebenso der Fall, wenn a) es nur so wenig Ressourcen zu verteilen gäbe, so dass ohnehin niemand genug erhalten könnte, oder b) die Menschen im totalen Überfluss leben.
Blickt man auf die Debatte um den idealen Staat in den letzten Jahrzehnten, so lässt sich diese am besten verstehen, indem man einen genaueren Blick auf den anglo-amerikanischen Raum wirft: Langezeit war das Leitbild der Politischen Philosophie dort der Utilitarismus, der seit Jeremy Bentham und John Stuart Mill im 19. Jahrhundert im Vordergrund stand. Der Grundtenor dieser Denkrichtung war sehr grob gesprochen das Erreichen der größten Summe der Befriedigung für die größtmögliche Zahl der Mitglieder einer Gesellschaft. Es galt das Nutzenmaximierungsprinzip, d.h. die Maximierung der Summe oder des Durchschnittswertes des Nutzens.
Mit John Rawls tritt Anfang der 1970er Jahre eine Wende im Denken der Politischen Philosophie ein. Er wendete sich in seiner Theory of Justice einerseits gegen die Strategie der Utilitaristen und bestand darauf, dass Rechte und Freiheit nicht dem Nutzen untergeordnet werden sollten. Andererseits lehnte er aber auch die Haltung von Intuitionisten ab, deren Handlungsmaßstab allein die eigene Intuition ist und deren Letztbegründung niemals geliefert werden kann. Rawls wählte für sein Gerechtigkeitsmodell ein rationales Verfahren, das an einem Projektbeispiel vorgestellt wird.
I. Veröffentlichungstitel:
Die Politik der Nichtwissenden. John Rawls' Theorie der Gerechtigkeit als Projekt in der Politischen Bildung
II. Bibliographische Angaben:
Politisches Lernen, Heft 1-2/08, Verlag Wieland Ulrichs Göttingen, S. 63-68, ISSN 0937-2946